Liebe Gymnocalyciumfreunde!

Unser Vorsitzender und Mentor der AG Gymnocalycium Hans Till, konnte aus gesundheitlichen Gründen leider nicht an der diesjährigen, traditionellen Frühjahrstagung in Eugendorf teilnehmen. In der vorliegenden Ausgabe befasst sich der Autor rückschauend mit dem Hauptthema der Tagung, „Das G. monvillei Aggregat“. Resümierend hält Hans Till das Aggregat Monvilleiana für eine sehr formenreiche Verwandtschaft, deren jetzige Taxa nicht von einem derzeit lebenden Taxon abstammen, sondern von einer Urform, welche wir nicht kennen. Sie haben sich im Laufe der Evolution zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgespaltet und die heutigen Taxa sind das vorläufige Ergebnis.

In einer ausführlichen Arbeit beschreiben die Autoren Tomás Kulhánek, Radomir Repka und Jarosiav Procházka ein unter Feldläufern schon seit vielen Jahren bekanntes Gymnocalycium aus der Provinz San Luis, Argentinien. Das Hauptvorkommen von Gymnocalycium morroense liegt an der Nordostseite der Sierra del Morro und hat mittlerweile auch den Weg in unsere Sammlungen gefunden.

Die Populationen von Gymnocalycium parvulum kommen einander geografisch teilweise sehr nahe. Sie sind jedoch an den Typfundorten gut zu unterscheiden und arealgeografisch isoliert, so dass nach heutigem Kenntnisstand ein Genaustausch ausgeschlossen werden kann. Eine dieser Sippen wurde in der Sierra de Ischilin, Provinz Córdoba entdeckt und wird als Gymnocalycium parvulum subsp. agnesiae neu beschrieben.

Viel Freude beim Studium der folgenden Blätterwünscht Ihr Redaktionsteam

 

Gedanken und Kommentar zum G. monvillei Aggregat, Eugendorf 2010

Der Verwandtschaftskreis von Gymnocalycium monvillei (Lemaire) Britton & Rose ist nicht nur äußerst attraktiv, sondern auch sehr formenreich. Im Teil II der Neuordnung haben wir die regelgemäß publizierten Taxa nicht in die Rangstufe einer Serie, sondern in ein Aggregat Monvilleiana zusammengefasst. Außer Gymnocalycium brachyanthum (Gürke) Britton & Rose und Gymnocalycium schuetzianum H. Till & Schatzl haben alle Taxa die Rangstufe einer Unterart (Subspecies) (Abb. 1 und 2).

Wenn man Pflanzen (auch Kakteen) beschreiben will ist es unerlässlich, dass man sich auf jeden Fall zuerst mit der Rangstufe „Art“ befassen muss.

Zugegeben, wir kennen verschiedene Artbegriffe und auch die Botaniker können sich nicht auf einen gemeinsamen Artbegriff einigen. Der Pragmatiker, der sich hauptsächlich mit Taxonomie, also mit der Klassifizierung beschäftigt, wird natürlich einen festen, einheitlichen Artbegriff favorisieren. Klassifizierung braucht aber Namen, damit man sich verständigen kann. Diese werden nach den Regeln der Nomenklatur vergeben. Wir sollen uns jedoch an die Systematiker halten (Schumann, Buxbaum usw.), die das Leben der Pflanzen studieren. Für den Systematiker ist das Primäre die Pflanze und ihre Beziehung zu ihren Verwandten. Wo sie herkommt und unter weichen Umständen sie wächst ist für ihn bisweilen zweitrangig.

Er sagt: Die Art ist ein fiktiver Begriff, Arten sind nicht Einzelwesen sondern ± große Populationen. Weil wir die Nomenklatur zur gegenseitigen Verständigung brauchen, bezeichnen wir eine solche Population als „Art”.

Artbegriff nach Prof. Dr. Franz Buxbaum (1951) in „Grundlagen und Methoden einer Erneuerung der Systematik der höheren Pflanzen Springer Verlag, Wien: „DerArtbegriff ist eine Definition, keine absolute Realität, das heißt: keine unveränderliche und scharf begrenzte Größe.

Die Art ist niemals eine (homozygotische) Einheit, sondern eine Population, die sich aus homozygotischen und heterozygotischen Individuen zusammengesetzt und durch Bastardierung und Mutationen in ständiger Umwandlung begriffen ist”.

A. Remane, V. Storch und U. Welsch (1977) „Kurzes Lehrbuch der Zoologie”, Stuttgart, sagen ebenso wie der Botaniker (Systematiker):

„Eine Art ist nicht einheitlich, sondern besteht aus einer großen Anzahl phäno- und gentypisch verschiedener Individuen”.

„Viele Arten zerfallen meist in eine Anzahl geografischer Rassen, Subspecies. Diese gehen in ihren Merkmalen häufig ineinander über, seltener sind sie scharf getrennt. Meist treten unter normalen Individuen stark abweichende Einzel — Individuen auf, sei es in der Farbe oder in der Struktur…

Die Arten sind nicht gleichartig. Neben einheitlichen (monotypischen) stehen sehr vielgestaltige (polytypische).

Der französische Botaniker und Pharmkalogie-Professor Jean-Marie Pelt sagt in seinem Werk: „ Das Leben der Pflanzen’ Econ Verl., 1982 (den Vorgang Befruchtung nennt er Sexualität): „Die wirkliche Formel der Sexualität besagt: Zwei Sexualzellen oder zwei Lebewesen fusionieren und werden nicht Eins, sondern zwei Zellen ergeben eine Dritte.

Durch Zeugung reproduzieren wir uns nicht selbst, sondern schaffen neues Leben. Nur ganz primitive Lebewesen, die sich ohne Sexualität, sondern durch Zellteilung fortpflanzen, können das. Alle anderen können seit der Intervention der Sexualität nur andersartige Nachkommen produzieren”.

Arten entstehen durch Selektion, Rekombination, Hybridisierung und Mutation.

Mutationen sind aus unbekannter Ursache entstandene erbliche Abänderungen.

G. schuetzianum kann man als eine Mutante bezeichnen. (Abb. 3 bis 5).

Die Nachzuchten aus Samen F. Ritter 430 ergaben ganz normale, dunkelrosa bis heilrot blühende Pflanzen mit gut ausgebildeter Narbe sowie Pollensäcken, wie es das Farbbild in der Erstbeschreibung zeigt (Kakt. and. Sukk. 1981, Heft 10, Seite 234). Es gibt allerdings auch Pflanzen von G. schuetzianum aus anderen Quellen bei denen die Blüten entweder männlich oder weiblich determiniert sind, was eine Abänderung der Geschlechterverteilung darstellt, also eine Mutation. Nicht verschwiegen sei jedoch, dass es sich aber auch um Hybriden handeln könnte und zwar um eine Kreuzung G. schuetzianum x G. oenanthemum, weil man zur damaligen Zeit aus der Samengruppe Microsemineum nur G. oenanthemum als rot blühend kannte.

Die Wissenschaft kennt viele hybridogene Sippen, der weniger Versierte Gymno Kenner sagt Naturhybriden dazu. Die meisten Primärhybriden sind nicht lebensfähig oder sie verschwinden mit der Zeit wieder. Nur wenige sind erblich konstant und diese kann man dann als gute Art bezeichnen. So eine hybridogene Sippe ist wahrscheinlich auch das in Tschechien weit verbreitete aber noch unbeschriebene G. monvillei fa. brevispinum (Abb. 6 bis 8). Dr. Schütz hatte mir gesagt, dass bei Kreuzung zweier Pflanzen von diesem Taxon ± artreine Nachkommen entstehen. Bei Kreuzung mit einem typischen G. monvillei ist das Saatgut nur bedingt keimfähig und die Nachkommen sind fast reine G. monvillei, also die dominante Form setzt sich dann mehr durch (Abb. 9).

Das gleiche tritt auch bei einer Kreuzung G. monvillei x G. horridispinum auf. Auch hier ist das G. monvillei dominant über G. horridispinum (Abb. 10 und 11). Bei solchen Kreuzungen, wie auch bei reziproken, ist der Anteil von G. monvillei meist immer größer als der G. horridispinum Anteil.

Nachzuchten von G. schuetzianum sind in ihrem Verhalten wie die Nachkommen von guten Arten. Sie lassen sich leicht befruchten und deren Nachkommen verhalten sich genauso.

Die Lebensdauer von Gymnocalycium Kultur-Hybriden scheint begrenzt zu sein. Ein gutes Beispiel ist die Hybride Jan Suba. Diese rote G. denudatum Hybride war geradezu expiosionsartig fruchtbar. Weil sie leicht vermehrbar und äußerst widerstandsfähig war, nannte man sie „Prager Pest” (Abb. 12 und 13). Heute jammert man, dass sie kaum mehr in den Sammlungen zu sehen ist und immer mehr verschwindet.

Wir halten das Aggregat Monvilleiana für eine sehr formenreiche Verwandtschaft, deren jetzige Taxa nicht von einem derzeit lebenden Taxon abstammen, sondern von einer Urform, welche wir nicht kennen. Sie haben sich im Laufe der Evolution zu unterschiedlichen Zeitpunk abgespaltet und die heutigen Taxa sind das vorläufige Ergebnis.

Dr. Buxbaum hat im oben genannten Werk, Seite 40 und 102, ein Modell eines Stammbaumes erstellt (Schema 1).